Nava Ebrahimi | © STG | Jesse Streibl Nava Ebrahimi | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Nava Ebrahimi

Nava Ebrahimi, in Teheran geboren, in Deutschland aufgewachsen, zählt zu den aufregendsten Stimmen der deutschsprachigen Literatur. Die Autorin, die in Köln Journalismus und Volkswirtschaftslehre studierte und seit mehr als zehn Jahren in Graz lebt, wurde mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Wir sprachen mit Nava Ebrahimi über guten Journalismus, Auszeichnungen und ihr Leben in der Steiermark.

Wir sprachen mit der Herzbotschafterin Nava Ebrahimi über guten Journalismus, Auszeichnungen und ihr Leben in der Steiermark.

Sie sind in Teheran geboren und haben in Deutschland studiert und gearbeitet. Wie landet man dann in der Steiermark?

Ich habe mich in der Nähe von Berlin in einen Grazer verliebt.

Sie leben seit mehr als zehn Jahren in Graz. Wie war das Weggehen aus Deutschland und das Ankommen hier?

Also grundsätzlich bin ich immer offen für Neues. Ich mag Veränderung. Ein bisschen wehmütig war ich dann schon, als ich Köln verlassen habe. Weil Köln war sowas wie – ja, Heimatstadt würde ich nicht sagen, aber ich habe relativ viel Zeit meines Lebens in Köln verbracht. Aber ich war auch sehr neugierig auf das Neue. Ich hatte immer ein gewisses Faible für Österreich und mochte Graz von den Besuchen.

Wie geht es Ihnen heute mit der Stadt, wie wohl fühlen Sie sich mittlerweile hier?

Ich fühle mich sehr wohl. Also ich bin ja viel unterwegs, aber ich freue mich wirklich immer zurückzukommen. Graz gibt mir schon ein Gefühl von zu Hause inzwischen. Ja, ich lebe total gerne hier.

Wie viel von der neuen Heimat steckt schon in Nava Ebrahimi? Und wie viel noch von der alten persischen Heimat?

Persische Heimat kann ich eigentlich gar nicht sagen, weil ich ja mit drei Jahren den Iran mit meinen Eltern verlassen habe. Natürlich wurde ich von zwei iranischen Eltern erzogen, also ich habe viel persisches in mir. Aber Iran habe ich nie als Heimat bezeichnet. Wie viel Graz oder Steiermark oder Österreich schon in mir steckt, das merke ich eigentlich immer erst, wenn ich nach Deutschland fahre. Weil diese Klischees, die es eben in Österreich gibt, bezüglich der Deutschen, die fallen mir jetzt auch total auf. Also, mir kommt wirklich vor, das ist schon fast ein Witz, dass ich, sobald ich deutschen Boden betrete, relativ schnell zurechtgewiesen werde wegen irgendwas. Dann denke ich mir - sitze ich jetzt auch schon den Klischees auf oder ist da am Ende wirklich was dran? Ja, ich finde, man merkt das ja immer erst so rückblickend. Oder erst, wenn man wieder mit dem Alten konfrontiert wird, merkt man, wie sehr man eigentlich schon im Neuen zu Hause ist. Ja, ich bin immer irgendwie dazwischen und zu dem, was immer so zwischen Deutschland und Iran war, ist jetzt noch Österreich dazugekommen.

Wenn man Sie um drei Uhr morgens aus dem Schlaf rütteln und nach Ihrer Heimat fragt, was würden Sie spontan antworten?

Die Antwort auf die Frage nach der Heimat ist total schwierig für mich – eigentlich nicht zu beantworten. Wenn Sie mich dann um drei Uhr morgens noch wecken, wo ich sowieso keinen geraden Satz sprechen kann, würden Sie, glaube ich, von mir keine sinnvolle Antwort kriegen.

Schon ein Trachtenkleid im Kleiderschrank?

Nein. Ich fürchte, werde ich auch nie haben.

Nava Ebrahimi | © STG | Jesse Streibl
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„Die Steirer wissen, was sie hier haben!“

Wie ist Ihr Blick auf die Entwicklung der Steiermark? Wie nehmen Sie das Land wahr?

Ich habe es von Anfang an als unglaublich vielfältig wahrgenommen. Also was das Landschaftliche angeht. Die verschiedenen Regionen. Was Lebensqualität und Freizeitgestaltung betrifft, finde ich es ganz toll. Dass man schnell richtig in den Bergen ist, finde ich schön. Die Südsteiermark wiederum ist wieder eine ganz andere Landschaft, die habe ich auch sehr gerne. Dann das urbane Graz. Ich mache immer viel Werbung bei meinen Freundinnen und Freunden, und die sind auch immer begeistert. Zur Entwicklung könnte ich jetzt eigentlich gar nichts sagen, dafür war ich vielleicht in den letzten Jahren zu viel unterwegs. Aber mir kommt schon vor, dass vor allem die Südsteiermark in Deutschland zunehmend an Bekanntheit gewinnt. Unter Weinkennern ist die Südsteiermark schon eine Adresse, würde ich sagen.

Fühlen Sie sich gut aufgehoben im Land?

Ja, ich fühle mich sehr wohl.

Sie haben Volkswirtschaftslehre und Journalismus studiert und arbeiteten unter anderem als Redakteurin bei der Financial Times und der Kölner StadtRevue sowie als Nahost-Referentin für die Bundesagentur für Außenwirtschaft. Hat es in dieser Zeit in der Medienbranche einen Job gegeben, der Sie ungeheuer gereizt hätte?

Der Job, den ich zuletzt bei der Kölner StadtRevue hatte, war - kann man fast sagen - mein Traumjob. Auch wenn das jetzt nicht so wahnsinnig renommiert klingt. Das Magazin gibt es seit über 50 Jahren, das letzte Stadtmagazin - glaube ich - das noch wirklich unabhängig ist. Also so ein kleiner, unabhängiger Verlag. Wir hatten alle Freiheiten, es gab keine Hierarchien, keine Chefredaktion. Wir waren sehr frei und konnten alle Geschichten machen, die wir machen wollten. Ich mochte immer Lokaljournalismus, weil man da wirklich vor Ort sein und mit den Leuten reden kann. Kurze Wege, kurzer Draht – man kann sich selbst ein Bild machen.

Was macht denn guten Journalismus aus?

Für mich auf jeden Fall – da bin ich noch so ein bisschen alte Schule – dieses Zitat von Hanns Joachim Friedrichs, dem verstorbenen deutschen Anchorman der ARD: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“. Das heißt auch, im sozialen und gesellschaftlichen Leben nicht zu eng verbandelt zu sein mit Entscheidungsträgern. Was in Österreich natürlich oft schwieriger ist, weil es einfach kleiner ist. Und gute Journalistinnen und Journalisten sollten auch die Fähigkeit besitzen, Interviewpartner mit unangenehmen Fragen zu konfrontieren. Also Dinge zu fragen, die den anderen in eine unangenehme Situation bringen – und das auch auszuhalten. Diese Fähigkeit fehlt mir, daher bin ich auch ausgestiegen. 

Schriftstellerisch sind Sie relativ spät in Erscheinung getreten. Was gab den Anstoß, wie beeinflusste Ihre Arbeit als Journalistin Ihr literarisches Schreiben?

Eigentlich wollte ich schon immer Schriftstellerin werden. Und Journalismus war ein bisschen Kompromiss für mich. Ich hatte Respekt davor, mit einem künstlerischen Beruf auf Anhieb Geld verdienen zu müssen. Und als ich Abitur gemacht hatte, gab es noch keine Institute, die das literarische Schreiben gelehrt haben. Das journalistische und das literarische Schreiben sind schon sehr unterschiedlich. In der Journalistenausbildung habe ich aber gelernt, Kritik einzustecken.

Sie wurden mit dem Österreichischen Buchpreis und dem Morgenstern-Preis ausgezeichnet, 2021 erhielten Sie für Ihren Text ,,Der Cousin“ den Ingeborg-Bachmann-Preis, eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum. Was bedeuten Ihnen diese Würdigungen?

Zuallererst ist es natürlich eine Bestätigung. Als Schreibende bin ich permanent auch Zweifelnde. Und es ist schön zu wissen, dieser Text löst etwas aus. In einer Jury, bei Lesenden wie auch immer. Das ist schön. Und natürlich ist es fast notwendig, wenn man vom Schreiben leben will. Wir Schreibenden sind auf Stipendien und Preise angewiesen. Und das ist jedes Mal wieder ein bisschen Luft, um in Ruhe zu schreiben.

Nava Ebrahimi | © STG | Jesse Streibl

Welche Plätze haben es Ihnen persönlich angetan, wohin verschlägt es Sie ?

Ich gehe immer gerne auf den Grazer Schlossberg, bin gerne im Bezirk Lend bei meiner Freundin Maria. Sie betreibt dort einen tollen Kiosk. Da fährt immer jemand mit dem Fahrrad vorbei, den man kennt. Es sind dort zufällige Begegnungen möglich. Ich schreibe auch manchmal gerne im „Tribeka“. Und wenn ich Besuch habe und Zeit ist, mit den Kindern wandern zu gehen, zieht es mich in die Südsteiermark. Dort ist es sehr schön.

Was haben Sie noch alles vor?

Jetzt schreibe ich einmal meinen nächsten Roman. Und das ist kein kleines Unterfangen.

Wie würden Sie einem Blinden die Steiermark erklären?

Landschaftlich sehr abwechslungsreich. Von schroffen, alpinen Gegenden bis zur sehr lieblichen, hügeligen Südsteiermark. Dann würde ich die Menschen beschreiben, weil ich finde, das macht eine Gegend erst so richtig lebenswert. Und da finde ich Steirerinnen und Steirer oft sehr interessiert, offenherzig, auch mit einer gewissen Zufriedenheit würde ich sagen. Und sehr heimatverbunden. Vor allem offen und zufrieden. Sie wissen schon, was sie hier haben.

Nava Ebrahimi | © STG | Jesse Streibl
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Wordrap

Mach bessere Fehler.

Freunde, Familie, gute Beziehungen und ab und zu ein gutes Gläschen Wein.

Ausgeglichenheit.

Harmoniesucht.

Eigentlich nicht. Ich fand meine Mutter immer toll.

Streitlustiger zu sein.

Das ist schwer. Ich war kürzlich auf einer Yves-Klein-Ausstellung, das hat mich sehr beeindruckt.

Arcade Fire

Auf jeden Fall etwas mit Hülsenfrüchten.

Hawi.

Kernöl, Käferbohnen, all das. Aber ich würde auch sagen Heimatverbundenheit.

…eine schöne Abwechslung zum roten Herz.

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