Johannes Silberschneider | © STG | Harry Schiffer Johannes Silberschneider | © STG | Harry Schiffer
💚-Botschafter

Johannes Silberschneider

Johannes Silberschneider ist einer der gefragtesten, schillerndsten und vielseitigsten Künstler im deutschsprachigen Raum. Der im obersteirischen Mautern geborene Schauspieler, der seine Karriere als Johnny Silver startete, arbeitet an allen wesentlichen Theatern und war in bisher über 100 Fernsehproduktionen und Kinofilmen zu sehen. Seiner Heimat ist der in München lebende Steirer so eng verbunden, dass er den Menschen medial sogar die steirische Mundart näherbringt. Als Herzbotschafter erzählter über sein Leben. 

Herr Silberschneider, wir haben Ihre Filmografie angeschaut. Bis zu sechs Filme oder Fernsehproduktionen pro Jahr, dazu Theater, Hörspiele, Lesungen. Sind Sie ein Arbeitstier?

Nein, eigentlich nicht. Das hat sich irgendwie so ergeben. Ich glaube, das war so eine Voraussetzung für den Beruf, dass ich mir gedacht habe, jetzt probierst einmal alles aus, was dir angeboten wird. Weil ich mich eh nicht ausgekannt habe. Ich bin in diesen Beruf als völliger Frischling vom Land hineingekommen. Ich glaube, ich war vorher nicht einmal im Theater – außer ein Schultheater, das ich einmal gesehen habe. Das hat sich so ergeben. Der Paulus Manker hat während eines Seminars einmal gesagt, wer nach fünf Jahren den Beruf noch ausübt, der hat gute Chancen, dass er das bis zum Lebensende macht. Da habe ich mir gedacht, musst halt schauen, dass du die ersten fünf Jahre wenigstens bewältigst. Obwohl ich nie fest engagiert war, das ist das Lustige. Ich glaube, das gehört auch zum Steirer dazu, eine gewisse Freiheit, er will Erkundungen machen. Ein bisschen Erzherzog-Johann. Er will auf alle Berge rauf, er will ein paar Almhütten haben, wo er einkehren darf. Er braucht so ein paar Punkte, aber ich glaube, er muss nicht festsitzen.

Sie haben schon neben Penelope Cruz oder Ben Kingsley gespielt – wie sehr juckt Hollywood?

Nein, ich glaube, das wäre sich mit mir nie ausgegangen. Wir waren einmal mit „Copy Shop“ für den Oscar nominiert und da waren wir drüben. Das war witzigerweise so ein Film, wo eigentlich nur ich vorgekommen bin. So ein Vervielfältigungsfilm. Total interessant. Ein digitaler Film der analogisiert wurde. Und da hat der Regisseur Virgil Widrich damals schon gesagt, dieser Film könnte zu hundert Festivals eingeladen werden – Oscar ist auch möglich. Und die Einladungen haben gestimmt. Das war sehr interessant, da war ich damals das erste Mal drüben in diesem „Kodak-Theater“. Das war so nach 9/11. Und das war so alles nicht realistisch für mich. Plötzlich ist man angekommen, wir haben beim österreichischen Botschafter wohnen dürfen. Und da sind wir mit so einer Limousine hingefahren. Das war alles für mich nicht realistisch. Das war ein bisschen wie Plastik-Art-Déco. Oder wie bei einer Vieh-Versteigerung in der Leobener Oberlandhalle. Oder bei einem Band-Wettbewerb. Da waren so Tribünen aufgebaut und da waren die Reporter und eingekaufte Leute die geschrien haben, wenn du vorbeigegangen bist. Du hast halt so Leute getroffen, die du gekannt hast – den Ben Kingsley auch. Es war unrealistisch. Und dann hat das so lange gedauert. Und man muss ja aufs Klo auch einmal gehen. Und wenn du rausgehst, dann werden „Sit-in-Doubles“ reingeholt mit Nummern. Nix da, kein Buffet - nur ein Grüppchen ist im Vorraum beieinandergestanden. Und da habe ich mir gedacht, mah, das sind so alte Damen, die sich da unterhalten. Und dann bin ich vorbeigegangen und dann waren das auf einmal der Woody Allen und der Paul McCartney. Und ich bin vorbei und habe mich überhaupt nicht ausgekannt. Und meine Agentin hat gesagt, du musst zu einer berühmten Agentin von Philipp & Morris. Und da bin ich am nächsten Tag hin. Und dann hat sie gesagt „So, you were nominated for the oscar“ – ja, „Do you want to move to hollywood?“ Dann habe ich gesagt – nein. „Do you want to make TV, Michael Sheen also did.“ Da habe ich mir gedacht, nein. Und das letzte, was sie gefragt hat, war: „Which language was the movie?“ Und dann habe ich gesagt: „It was a silent movie.“

Johannes Silberschneider | © STG | Harry Schiffer
Johannes Silberschneider | © STG | Harry Schiffer
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„Eisenerz ist für mich ein Weltmodell geworden.““

Sie leben in München, sind aber auch gern in Ihrem Geburtsort Mautern. Was macht den Ort aus?

Ich glaube, das ist dasselbe wie mit der Sprache, mit der Landschaft. Man wird sozialisiert, dort wo man herkommt. Ich glaube, dass die ersten Jahre eine seelische Sozialisierung sind, dann gibt es eine pubertäre Sozialisierung. Für mich ist die kindlich-seelische Sozialisierung Mautern, meine pubertäre ist Eisenerz. Es ist alles ziemlich der gleiche Rahmen. Mautern war für mich das kindliche Dorf, die Umwelt, die Geborgenheit im Kleinen. Das erste Sozialgefüge. Eisenerz ist für mich ein Weltmodell geworden, das war damals noch ein Stadtgefüge mit 14.000 Einwohnern. Mit Industrie, mit parteilichen Aufsplitterungen, mit allen sozialen Schichten, mit allen Möglichkeiten im Kleinen. Und ich glaube, das ist in mir verwurzelt wie eine Struktur, die mein Leben geprägt hat.

Sie sind offensichtlich sehr verwurzelt, haben in einer ORF-Serie sogar steirische Mundart erklärt. Aus Spaß, oder weil man Steirisch als Kulturgut pflegen muss?

Ja, davon bin ich absolut überzeugt. Ich glaube, dass die Mundart die Muttersprache, die Ausdrucksmöglichkeiten, von Kindheit an prägt. Das ist der Urausdruck, das ist die erste Kommunikation. Die Sprache ist der Urbeginn der Sozialisierung. 

Sie haben einmal gesagt, Graz war die Traumstadt Ihrer Jugend. Was war bzw. was ist so besonders an der Landeshauptstadt?

Ja, weil das eine Art Schmuckschachtel war, die nicht so geplant ist wie Salzburg. Salzburg ist richtig eine Bonboniere und Graz war wie eine architektonische Brettljause. Das war ein unglaublich schönes Gebilde von Architektur und Sozialstruktur, wo alles gelebt hat, wo alle Schichten gelebt haben. Ich habe Graz immer als Kulturstadt bewundert. Nicht umsonst hat sich hier auch sprachlich so viel getan. Und architektonisch. Weil das immer ganz toll verwachsen war, miteinander. Das war wie ein Schatzkästchen.

Als Johnny Silver haben Sie einmal den Grazer Bandwettbewerb gewonnen. Welche Rolle in Ihrer Karriere spielte rückblickend die musikalische Phase, was hat die Figur aus Ihnen gemacht?

Also wenn es je etwa eigenes gegeben hat in meinem Leben, dann war das die Entdeckung des Rock´n‘Roll für mich. Das hat an einem letzten Ferientag begonnen. Und der hat immer gleich ausgeschaut. Da ist man in der Früh als Ministrant noch zu einer Schuleröffnungsmesse mitgepilgert. Und dann sind wir mit den roten Falken von der anderen Partei auf die Tollinghöhe gefahren. Und dort war ein Sommerausklangsfest. Und da habe ich das erste Mal eine Schlag-Gitarre gehört, also eine elektrische Gitarre mit einem Schlagblattl – das hat super geklungen. Und als ich heimgekommen bin, war im Fernsehen – bei den Nachbarn durfte ich schauen – eine Filmsendung. „Der Film für Dich“ hat das geheißen. Und dort haben sie die Vorschau für den Film „American Graffiti“ vom George Lukas gespielt. Und da habe ich das erste Mal einen alten Rock´n‘Roll gehört. Chuck Berry - Almost Grown. Ja und da war ich fertig.

Johannes Silberschneider | © STG | Harry Schiffer
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Vor einigen Jahren krönten Sie mit ihrem Gastauftritt ein Stubnblues-Jubiläumskonzert in den Gamlitzer Weinbergen. Wie viel Rock´n´Roll steckt heute noch in Johannes Silberschneider? Und mit wem würden Sie gerne auf der Bühne stehen?

Ich glaube mein ganzes Leben ist sicher 75 Prozent Rock´n‘Roll, der Rest ist steirische Heimatpflege und Religion oder irgend so etwas.

Mögen Sie uns ihre fünf Lieblingsplätze im Land verraten?

Neun Schätze, neun Plätze. Das ist immer etwas sehr Schweres. Das ändert sich bei mir immer mit der Zeit. Aber meine Lieblingsplätze liegen halt alle so in der Eisenwurzen, in dem Gebiet, wo ich aufgewachsen bin. Später habe ich für mich den Turracher Bereich und Mariazell entdeckt. Aber auch die Weststeiermark, der Koralpe zu. Aber ich glaube, die Steiermark ist so reich an Plätzen, dass man nur irgendwo hinfahren und sich ein bisschen umschauen muss, und man ist völlig in einer anderen Welt.

Wir Steirer sind ja bodenständiger Kulinarik grundsätzlich nicht abgeneigt. Was mögen Sie am liebsten? Oder anders gefragt, was geht Ihnen aus der Steiermark in München am meisten ab?

Frische Schwammerl. Panierte Pilze mit einem warmen Erdäpfelsalat. Eierschwammerlgulasch – frisch gepflückt aus dem Wald – mit einem Semmelknödel. Das schmeckt mir am besten. Ich glaube, ich habe mit 17 Jahren mein erstes Fleisch gegessen. Weil ich auf einem Bauernhof groß geworden bin und weil mir gegraust hat vom Sau-Abstechen. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass ich das esse. Aber mit so Schwammerl und Gemüse war ich immer sehr gut bedient.

Was würden Sie dem Land für die Zukunft wünschen?

Politiker, die das Land lieben und es ebenso pfleglich behandeln, wie sie pfleglich behandelt werden wollen.

Zuletzt: welchen Traum wollen Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ein Traum von mir war immer sowohl als Sänger als auch als Schauspieler, dass alle Medien versagen. Also dass es keine Speichermedien mehr gibt und so. Und dass ich der Einzige bin, der die ganzen Geschichten und Lieder aus der alten Zeit noch kennt. Und dass dann noch die Leute sagen „Geh, Süberl, spü a bisserl was für uns, mei kannst nicht noch einmal…“. Ich glaube, das wäre der Traum, dass man so eine ewige Music-Box ist, die man verinnerlicht hat und zu jeder Zeit sozial abrufbar, human, analog, menschenvermittelnd die Geschichten erzählen kann, die einen geprägt haben.

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Wordrap

Habe ich keines.

Pah, des woas i ned. Nix. Aus.

Offenheit.

Offenheit.

Viele. Oder gar keines.

Furchtbar, keine Ahnung.

Zu viele. Matthäus Loder.

Alles außer wilden Heavy Metal und wilden Free Jazz. Und keine wilde Elektronik.

Panierte Pilze mit einem warmen Erdäpfelsalat.

Das ist die Subsumtion von Einwohner, Landschaft, seelischer Prägung von Aktivität von Lebenskraft und Erhaltung.

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