Helmut List | © STG | Jesse Streibl Helmut List | © STG | Jesse Streibl
💚-Botschafter

Helmut List

Prof. Dr. Helmut List ist einer der ganz hellen Köpfe in der Automobilindustrie. Sein Vorzeige-Konzern AVL ist als Spezialist für Antriebssysteme ein globaler Player, an dem kein Hersteller weltweit vorbeikommt. Kaum einer, der nicht bei der Firma List forschen, entwickeln und testen lässt. Die Transformation der Branche ist auch für das steirische Paradeunternehmen eine hochspannende Herausforderung, erzählt der Herzbotschafter.

Größter privater Konzern für Entwicklung, Simulation und Testen von Antriebssystemen für die Autoindustrie, knapp 11.000 Mitarbeiter weltweit, 4000 davon in der Steiermark, 1,6 Milliarden Umsatz. Viel Verantwortung, kann man da noch ruhig schlafen?

Ja, ich glaube schon. Doch. Gut. Wir haben ein starkes Team in der AVL, das wirklich kompetent ist und das auch die Herausforderungen der Zeit erkannt hat. Wir haben viel vor uns, aber wir haben sehr viel in der Vergangenheit geleistet. Auch in der Pandemiezeit haben wir die ganze Technologieentwicklung gut durchgehalten und Innovation vorangetrieben, sodass wir jetzt in einer starken Position sind. 

Es gibt keinen Kontinenten auf dem Ihr Unternehmen nicht vertreten ist, das bedingt ordentlich Reisetätigkeit. Die Mär behauptet, dass tagtäglich 500 AVL-Mitarbeiter in irgendeinem Flieger sitzen. Wie viele Tage im Jahr sitzen denn Sie in einem Jet?

In „normalen“ Zeiten war es schon ein Drittel der Zeit, wo ich im Flieger war. In der Pandemie ist es drastisch runtergegangen, weil die Kunden das zum Teil auch gar nicht gewünscht haben. Zum Teil konnte man schon einige Besuche machen, aber nicht in Amerika oder in Asien. Das hat sich jetzt Gott sei Dank wieder sehr gut entwickelt. Wir haben jetzt wieder einige Flugpläne, gar keine Frage.

AVL wird gewaltige Innovationskraft bescheinigt, in der Statistik des Patentamtes sind Sie jedes Jahr unter den Top 3 zu finden. Wie motiviert man Mitarbeiter zu solchen Leistungen?

Ich glaube, das Wichtige ist, für gute Mitarbeiter eine gute Zielsetzung zu haben. Dass man wirklich ambitionierte Ziele setzt aber umgekehrt auch weiß, was für technologische und auch – wenn man will – wissenschaftliche Voraussetzungen da sind, damit man die Ziele erreichen kann. Wenn man weiß, was von der Wissenschaft und von der Technologie-Basis, die man entwickelt, her möglich ist, dann hat man auch das Vertrauen und die Gewissheit, dass man auf diesem Gebiet etwas erreichen kann.

Die Zeiten sind mehr als herausfordernd, Ihr Unternehmen investiert nach wie vor überproportional in Forschung und Entwicklung. Stillstand ist offensichtlich keine Alternative. Wie hoch ist der Forschungsanteil in Prozent des Umsatzes?

Das sind 11 bis 12 Prozent. Und wir haben das eben auch in den schwierigen Zeiten – wie ich schon sagte – durchgehalten. Und wir müssen natürlich die ganzen Herausforderungen angehen, also uns die wichtigen auswählen. Eines ist geschehen: Wir sind sehr früh in die neuen Technologien eingestiegen.

Sie bilden und schulen bei AVL jährlich 1000e Mitarbeiter aus dem Ausland, was ist deren Eindruck von der Steiermark, was mögen die Menschen hier, was mögen sie nicht, wie ist deren Feedback?

Die meisten fühlen sich sehr wohl hier. Das kann man wirklich sagen. Das merkt man auch daran: Manche kommen ja zu uns, und dann gehen sie z. B. wieder zurück nach Deutschland. Da gibt es viele Fälle, wo heute noch die Familie in Graz lebt, obwohl der Mann oder die Frau, die bei uns war, wieder zurück ist und jetzt die Berufsstelle dort hat.

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„In der Steiermark herrscht ein guter Geist“

Was glauben Sie, müssen Land und Stadt tun, um langfristig Spitzenkräfte, die Unternehmen wie das sprichwörtliche Stückerl Brot brauchen, zu halten oder zu motivieren hierher zu kommen?

Ich glaube für Spitzenkräfte vor allem bei uns im Bereich der Technologie aber natürlich auch im Unternehmerischen, im Projektmanagement, im Vertrieb etc., ist wichtig, dass es eine gute Ausbildungsstätte in Graz auf den Hochschulen gibt. Aber auch, dass wir heute ein Netzwerk von vielen Unternehmen haben in der Steiermark – das hat sich Gott sei Dank sehr ausgebreitet – ist sehr gut für das Land. Und natürlich die engen Kooperationen mit den Hochschulen, wo viele Aktivitäten gemeinsam zwischen Industrie und Hochschulen gemacht werden. Auch wir haben das immer sehr stark vorangetrieben, das bringt Leben in die ganze Region. Spitzenkräfte sind auch interessiert, dass es ein gutes Kulturleben hier gibt. Das ist ganz wesentlich.

Wenn Sie Geschäftsfreunde bitten, Ihnen die fünf „Must Sees“ der Steiermark zur benennen, was wären die?

Ach, da gibt es eine ganze Reihe davon. Sehr schön ist natürlich die steirische Weingegend, das ist wunderbar und auch einer meiner Lieblingsplätze. Auf der anderen Seite sollte man sich auch die Grazer Altstadt anschauen. Die ist ein ganz besonderes Juwel. Wir haben auch eine sehr abwechslungsreiche Landschaft, wo man auch wandern und draußen sein kann. Ich denke auch, dass wir in Graz eine sehr gute Kulinarik haben. Wir haben sehr gute Restaurants und die Leute gehen gern dorthin. Das gehört zum Leben einfach dazu. Graz hat auch eine gewisse Offenheit und ist jetzt internationaler. Wir haben Mitarbeiter aus über 50 Nationen. Und das ist gut so.

Weil es angeblich technisch schon möglich wäre: würden Sie sich schon heute von einem autonom fahrenden Auto in Ihre Firma bringen lassen?

Wenn die Marke gut ist und vor allem wenn wir selbst involviert waren, gern.

Sie haben Graz eine Halle geschenkt, die Ihren Namen trägt, die ob ihrer Akustik hochgeschätzt ist. Wie wichtig ist es für Unternehmen, sich für Kultur zu engagieren?

Ich glaube, das ist sehr wichtig, weil wir vor allem in unserem Bereich das Thema Innovation sehr ganzheitlich betrachten müssen. Kunst und Kultur und die technisch kreative Arbeit hängen etwas zusammen. Das hat auch damit zu tun, dass wir in der Technik und in der kreativen Produktentwicklung den Menschen, der ein Auto fährt oder eine Anlage oder ein Software-System bedient, immer als User sehen müssen, wie er damit interagiert. Dieses immer User-orientiert zu sein ist ganz wesentlich. Für mich war das in der AVL von Anfang an immer sehr wichtig. Denn das bringt eine wichtige Komponente der Kreativität. Und das finde ich immer verbunden mit dem subjektiven Empfinden. Und die Kunst ist etwas, was mit subjektivem Empfinden sehr eng verbunden ist. Und das versuchen wir auch mit dieser Halle, die ja meine Frau mit ihrer Foundation leitet, zu fördern. Damit wollen wir diesen Brückenschlag zwischen Kunst und Technologie und Wissenschaft immer wieder voranbringen.

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Was vermissen Sie, wenn Sie längere Zeit, weil eben geschäftlich unterwegs, nicht im Land sein können?

Die Familie als Ganzes. Ich freue mich besonders, wenn auch meine Frau mitfährt, was ja immer wieder einmal der Fall ist. Sie kennt ja auch unsere Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern schon recht gut und da ist es immer schön, wenn sie auch dabei ist.

Wie werden die Steirer in Stadt und Land in 20 Jahren unterwegs sein?

Ich glaube, die Technologiebasis für den Antrieb muss der Anforderung standhalten, dass wir hier CO2-neutrale Kraftstoffe aller Art verarbeiten können. Das ist ganz wesentlich. Natürlich, Antrieb ist nur ein Teil. Es geht auch um das Fahrzeug als Ganzes in seinem autonomen Fahren, das sicherlich kommen wird. Wann genau, wagt keiner zu sagen, aber das assistiere Fahren mit dem Fahrzeug geht ja schon einen weiten Weg. Aber das autonome Fahren wird auch kommen. Und das gibt viele Möglichkeiten, die Mobilität neu zu denken. In dem Sinne, dass das Fahrzeug ein täglicher Begleiter ist, der zur Verfügung steht und wenn man ihn braucht, da ist. Auch ältere Leute können dann von einem Auto abgeholt werden und wohin fahren. Auch das ist durchaus gut vorstellbar.

Wie würden Sie jemandem die Steiermark erklären, der noch nie da war?

Es leben Menschen hier, die sehr offen sind, gegenüber der Zukunft und auch ihre eigene Meinung haben. Und sie haben, glaube ich, auch einen guten Humor, denn nur so kann man auch Dinge in Frage stellen und neue Lösungen finden. Sie sind gesellig und nehmen Herausforderungen an. Ich glaube, es ist eine gute Mischung, ein guter Geist herrscht hier.

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Wordrap

Den Dingen auf den Grund gehen, aber dann auch eine Entscheidung zu fällen.

Mit meiner Frau in die Oper gehen, dann noch einen Wein trinken, Freunde treffen – das macht Spaß.

Ich glaube ich bin hartnäckig und will oft Dingen auf den Grund gehen, bevor ich eine Antwort gebe.

Wenn sie Humor haben, wenn sie geradlinig sind.

Ich versuche manchmal, zu viele Dinge unter einen Hut zu bringen. Und dann muss ich zum Schluss kommen, das ist jetzt zu kompliziert, das müssen wir jetzt ein bisschen einfacher machen.

Ich habe gerne indisches Essen.

Antonin Dvorak.

Ich habe ein bestimmtes Buch von Gandhi sehr gerne.

Vincent van Gogh.

In die Weingegend rausfahren.

Dass ich weiß, dass ich ein Steirer bin, dass ich hier verwurzelt bin. Und auch wenn das Unternehmen noch so sehr wächst, irgendwo ist man zu Hause. Ich bin hier zu Hause.

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